Tag des Notrufs: Rettungsdienst gerät an seine Grenzen

Diese Nummer kennt jedes Kind: Im Notfall 112 wählen. Innerhalb weniger Minuten sind die Rettungskräfte vor Ort. Dass die Nummer immer häufiger gewählt wird, wenn auch die Hausarztpraxis helfen könnte, bringt die Rettungsdienste inzwischen an ihre Grenzen. Anlässlich des internationalen Tags des Notrufs am Sonnabend, 11. Februar, rufen die Region Hannover und die von ihr beauftragten Hilfsorganisationen dazu auf, den Rettungsdienst zu unterstützen und 112 wirklich nur im Notfall anzurufen.

"Die Einsatzkräfte der Rettungsdienste in der Region Hannover machen einen tollen Job", sagt Regionspräsident Steffen Krach. "Sie arbeiten unter belastenden Bedingungen und müssen einen kühlen Kopf behalten, wenn das Leben anderer Menschen in Gefahr ist." Krach appelliert deshalb an alle Einwohner in der Region Hannover, die Arbeit der Rettungskräfte zu unterstützen und wertzuschätzen. Er habe keinerlei Verständnis dafür, wenn Sanitäter angepöbelt oder angegriffen werden, betont der Regionspräsident: "Diese Menschen retten Leben. Und wir brauchen mehr Leute, die sich diesen Job zutrauen und für eine Ausbildung zur Notfall- oder RettungssanitäterIn entscheiden."

Tatsächlich sind die Einsatzzahlen der Rettungsdienste in den vergangenen Jahren – bis auf das erste Corona-Jahr 2020 – kontinuierlich gestiegen. "Allein im vergangenen Jahr hatten wir im Vergleich zu 2021 einen Zuwachs um mehr als acht Prozentpunkten bei den Rettungsdienstalarmierungen im Umland", stellt Christine Karasch, Dezernentin für Öffentliche Sicherheit, fest. Sie verweist darauf, dass der unter der Nummer 116117 außerhalb der regulären Öffnungszeiten von Arztpraxen der Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung erreichbar ist. "Vermehrt berichten Rettungsdienstmitarbeitende, dass sie zu PatientInnen gerufen werden, deren Zustand an sich keine notfallmedizinische Versorgung erfordert", ergänzt Anton Verschaeren, Vorstandsvorsitzender des Roten Kreuzes in der Region Hannover. "Diese Bagatelleinsätze blockieren dann Helfende und Rettungswagen, die in anderen, lebensbedrohlichen Fällen dringend benötigt werden." 

Erforderlich sei eine bessere Vernetzung ambulanter medizinischer Hilfesysteme, um den Rettungsdienst zu entlasten, meint Verschaeren: "Ambulante Pflegedienste, der Hausnotruf, der Rettungsdienst und die Integrierte Leitstelle müssen zukünftig vernetzt zusammenarbeiten", schlägt der DRK-Vorsitzende vor und gibt ein Beispiel: "Der Rettungsdienst wird zum Beispiel auch gerufen, wenn ein Katheter-Wechsel bei einer Person erfolgen muss. Dies ist eindeutig kein Notfalleinsatz. An dieser Stelle könnte die Integrierte Leitstelle auch eine der zuständigen ambulanten Pflegestationen informieren."

Eine zusammengeführte Gesundheitsleitstelle, die Notrufe über die 112 ebenso wie Anrufe mit dem Wunsch nach ärztlicher Hilfe über die 116117 koordiniert, ist der dringende Wunsch von Torsten Bierbrauer, Mitglied im Regionalvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe in Hannover. "Wir brauchen eine Entlastung des Rettungsdienstes durch diese Vernetzung des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes mit den Rettungsleitstellen. Außerdem fordern wir den Ausbau von ergänzenden Einsatzmöglichkeiten wie beispielsweise dem Modellprojekt ‚Gemeindenotfallsanitäter‘ und wir befürworten die Ausweitung des Notfallkrankentransportwagens (NKTW), der sich bewährt hat und für den Transport, die Erstversorgung und die Überwachung von nicht lebensgefährlich erkrankten oder verletzten Patienten ausgerüstet ist", so Bierbrauer.

Maren Spitzenberger, Geschäftsführerin des Arbeiter-Samariter-Bund Hannover, sagt: "Ich würde mir wünschen, dass die Kassenärztliche Vereinigung für den Bereich der niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen gemeinsam mit Krankentransportdiensten ihre Angebote überdenken und neu strukturieren. Dann würde die PatientInnen, die aus den Gründen wie Nichterreichbarkeit ihrer HausärztInnen, knapper Akut-Termine bei FachärztInnen oder aber auch der Unmöglichkeit, privat die Fahrt zum Arzt oder Krankenhaus zu organisieren, nicht auf Rettungstransportmittel zurückgreifen, die auf lebensbedrohliche Einsätze ausgerichtet sind. Das betrifft auch die Notfallambulanzen, die mit Bagatell-Verletzungen oder -Erkrankungen, die gut im niedergelassenen Bereich versorgt werden könnten, überfüllt sind, so dass unsere Rettungskräfte häufig mehrere Krankenhäuser anfahren müssen oder sehr lange warten, bis sie ihre Patient*innen an die Notfallambulanzen übergeben können."

Hintergrund

Die Region Hannover ist Trägerin des Rettungsdienstes in den 20 Umlandkommunen rund um die Landeshauptstadt. Von insgesamt 18 Rettungswachen aus starten die Fahrzeuge zu Notfällen. Die Alarmierung erfolgt über die gemeinsame Regionsleitstelle von Stadt und Region Hannover. DRK, JUH und ASB stellen im Auftrag der Region Hannover den Rettungsdienst im Umland sicher.