Giftfalle Gartenblume: Insektengifte in 21 von 22 gekauften „bienenfreundlichen“ Blühpflanzen nachgewiesen
Im Blumentopf keine Entwarnung: Bei sogenannten bienenfreundlichen Blühpflanzen herrscht weiter Giftalarm. Ein neuer Test durch den BUND Region Hannover hat die Ergebnisse des vergangenen Jahres bestätigt: „Es bleibt bei einer viel zu hohen Pestizidbelastung. Bis auf eine Ausnahme enthalten alle Proben der beliebten Sommerblüher zahlreiche giftige Rückstände. Nicht nur für Insekten eine Katastrophe“, teilt der BUND Region Hannover mit.
Das Ergebnis: "Wieder waren fast alle Pflanzenstichproben mit Pestiziden belastet, knapp zwei Drittel davon mit Wirkstoffen, die hochgradig gefährlich für bestäubende Insekten sind. Die Summe der Substanzen lag mit 6,5 pro Pflanze zwar im Bereich des Vorjahres, laut Ökotox-Index hat sich die Pestizidbelastung im Vergleich zum Vorjahr jedoch tendenziell leicht erhöht. Insgesamt wurden in den getesteten Pflanzen 38 Pestizide gefunden. Fünf von ihnen sind hoch bienengefährlich und zwanzig hoch gefährlich für die menschliche Gesundheit. Sieben Wirkstoffe haben keine Zulassung für Zierpflanzen in Deutschland", teilt der BUND Region Hannover mit.
"64 Prozent der gekauften Pflanzen enthielten Pestizide, die hochgefährlich für Bienen und andere Bestäubungsinsekten sind. Bei sechs von 22 Pflanzenproben wurde das für Insekten extrem giftige Neonicotinoid Acetamiprid nachgewiesen. Bei weiteren fünf Exemplaren wurden Pestizide nachgewiesen, die keine EU-Zulassung mehr haben (am ehesten auf Jungpflanzenkauf aus dem Nicht-EU-Ausland wie Ägypten oder Marokko zurückzuführen) – sie hätten also gar nicht im Handel sein dürfen. Lediglich eine Pflanze, eine Akelei, war frei von Pestiziden", erklärt der BUND.
Bei 16 der 22 Proben fanden sich Gifte, die auch für Menschen besonders gefährlich sind (bis zu neun Substanzen je Probe), da krebserregend, hormonell wirksam oder organschädigend. Ein Lavendel war mit 22 verschiedenen Pestiziden belastet, von denen acht der menschlichen Gesundheit schaden, drei für Bestäuber hoch giftig und drei nicht zugelassen sind, so der BUND. "Ein solches Produkt kann nur als illegaler Sondermüll bezeichnet werden," sagt Dr. Bernd Alt, Vorsitzender des BUND Region Hannover, frustriert. "Diese Ergebnisse lassen keine Anzeichen für eine Reduktion des Pestizideinsatzes im Zierpflanzenanbau erkennen", so seine ernüchternde Bilanz. "Ein Anfang des Jahres veranstalteter Runder Tisch mit VertreterInnen der Branche, der Landwirtschaftskammer und uns hat trotz unserer dringlichen Hinweise und Ratschläge offensichtlich keinerlei Effekt gezeigt."
"Der Zierpflanzenbau hat katastrophale Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit", so der BUND. Seit drei Jahren testet der BUND in Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation Global 2000 sogenannte bienenfreundliche Pflanzen und führt auch auf Bundesebene Gespräche mit Branchenvertreter und der Politik. "Die Situation hat sich bislang nicht verbessert. Appelle und freiwillige Vereinbarungen greifen nicht. Eine rechtlich verbindliche Pestizidreduktion auf nationaler und EU-Ebene muss endlich kommen. Ein Verbot von Pestiziden, die besonders gefährlich für Mensch und Umwelt sind, ist überfällig", sagt Corinna Hölzel, BUND-Pestizidexpertin in Berlin.
Im guten Glauben kaufen Verbraucher oft Blühpflanzen, die vom Handel als "bienenfreundlich" beworben werden. Wenn diese jedoch Rückstände bienengefährlicher Pestizide enthalten, können Bestäuber diese Gifte über Nektar und Pollen aufnehmen. "Die gewünschte Bienenrettung wird zur Giftfalle, die Bewerbung ‚Bienenfreundlich‘ zur Verbrauchertäuschung. Diese Verkaufspraktiken müssen ein Ende finden. Leider haben Käufer und Käufer von Zierpflanzen in Deutschland oftmals keine Chance, die Herkunft der Pflanzen und die damit verbundenen Produktionsbedingungen zu erkennen. Es gibt hier weder Kennzeichnungspflichten noch Grenzwerte", kritisiert die Pestizidexpertin.
"Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte Bio-Pflanzen oder Jungpflanzen aus regionalen Gärtnereien kaufen, die ihre Pflanzen nachweislich selbst ziehen", rät Dr. Bernd Alt. Aber auch der Druck auf die Garten-Branche soll aufrechterhalten werden. "Solange die Untersuchungsergebnisse keine Trendwende bei der Pestizidbelastung erkennen lassen, werden wir weiterhin Analysen durchführen", kündigt der BUND-Vertreter an.
Der BUND fordert mindestens eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030. "Besonders gefährliche Pestizide gehören verboten und dürfen auch nicht in Länder des globalen Südens exportiert werden. Hersteller und Händler von Zierpflanzen müssen verpflichtet werden, ihre Verantwortung wahrzunehmen und hoch gefährliche Wirkstoffe in der Produktionskette ausschließen. Um das Überleben der Insekten zu sichern, muss der Pestizideinsatz nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch und gerade im Zierpflanzenanbau und in den Privatgärten drastisch reduziert werden", fordert der BUND-Vertreter.