Wer in Hannover ohne Berufsausbildung arbeitet, soll den Chef nach einer „Neustart-Chance“ fragen
Menschen ohne Ausbildung gezielt zu fördern, sei ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel. "Ein schlechter Schulabschluss, eine frühe Schwangerschaft, Schwierigkeiten im alten Ausbildungsbetrieb oder in der Berufsschule – es gibt viele Gründe, warum Beschäftigte in jungen Jahren eine Ausbildung abgebrochen oder gar nicht erst begonnen haben. Es wäre aber falsch, sie als ‚ewig Ungelernte‘ abzustempeln. Fair ist es, diesen Menschen eine zweite Chance zu geben. Erst recht, da in den meisten Branchen ohnehin Fachkräfte händeringend gesucht werden – in der Lebensmittelindustrie genauso wie in Hotels, Restaurants oder Bäckereien", sagt Finn Petersen.
Die Perspektive von Beschäftigten ohne Berufsausbildung sei ansonsten, ein Berufsleben lang als Hilfskraft bei schlechterer Bezahlung arbeiten zu müssen. Landesbezirksvorsitzender Finn Petersen ruft Beschäftigte ohne Berufsabschluss auf, das Thema "Nachhol-Ausbildung" offensiv im Betrieb anzusprechen: "Wenn ein Chef sieht, dass jemand die Motivation hat, mehr aus sich zu machen und sich für das Unternehmen zu qualifizieren, kann er das kaum ablehnen." Es sei allerdings wichtig, dass neben der Geschäftsführung auch die Belegschaft motivierte Beschäftigte unterstützt. "Ideal ist es, wenn es einen Betriebsrat gibt. Dann ist der nötige Rückenwind quasi garantiert", so der Gewerkschafter.
Außerdem fördere die Arbeitsagentur etliche Qualifizierungen. Die NGG Hannover rät Betriebsräten und Beschäftigten, aber auch den Geschäftsführungen von Unternehmen, sich über Angebote der Arbeitsagentur zu informieren (www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/foerderung-von-weiterbildung). Für Unternehmen sei das besonders interessant. Denn Lehrgangskosten könnten teilweise oder sogar vollständig übernommen werden. Auch Zuschüsse zum Lohn, der bei einer Weiterbildung weitergezahlt werde, seien möglich. "Wichtig ist, dass einer im Betrieb die Fäden zusammenhält und alles koordiniert. Am besten der Betriebsrat", sagt Finn Petersen.
In der Stadt und Region Hannover nutzen bereits Beschäftigte die Chance, sich für einen Berufsabschluss fit zu machen. Es seien jedoch zu wenige: So registrierte die Arbeitsagentur nach Angaben der NGG im ersten Halbjahr dieses Jahres lediglich 100 Qualifizierungen, an deren Ende ein Berufsabschluss steht. "Da ist noch reichlich Luft nach oben", sagt Petersen.
Das Nachholen einer Ausbildung und trotzdem "nebenbei weiterzuarbeiten", das sei allerdings eine Herausforderung. In Berufen mit Saisonarbeit lasse sich dies jedoch "relativ gut unter einen Hut bringen". Ein Beispiel dafür sei die Lebensmittelbranche. "Hier gibt es oft Saisonphasen. Weiterbildungsmodule sollten dann möglichst in die Zeiten gelegt werden, in denen die Produktion nicht voll ausgelastet ist. Das gilt auch für die Hotellerie oder Gastronomie: Es gibt in der Regel immer Phasen, in denen nicht gerade Hochbetrieb herrscht", so Finn Petersen.
Die Qualifizierung ungelernter Mitarbeiter sei eine Investition ins Betriebs-Know-how. Gleichzeitig sichere eine nachgeholte Ausbildung Beschäftigten aber auch einen höheren Lohn und vor allem eine bessere Perspektive im Berufsleben. "Wer eine Ausbildung in der Tasche hat, ist auf dem Arbeitsmarkt einfach gefragter", sagt Landesbezirksvorsitzender Petersen.