Vortrag zur Entwicklung des „Antijudaismus“
Die seit Jahrhunderten existierende Judenfeindschaft in christlichen Kirchen hat ihren Ursprung in der Ausgangssituation der Gruppe, aus der sich das entwickeln sollte, was wir heute Christentum nennen: Es war eine verschwindend kleine Minderheit von Jüdinnen und Juden zunächst in Galiläa, Judäa und Samaria, dann innerhalb weniger Jahrzehnte im ganzen römischen Imperium, die Jesus von Nazareth als Gesandten Gottes, als Messias und als Bringer der endgültigen Herrschaft Gottes glaubten. Diese visionäre, endzeitlich fühlende Gruppe, die zugleich über ein hohes Maß an Organisationstalent verfügte, definierte ihr Selbstverständnis primär als Abgrenzung gegen "die Draußen". Dies war zunächst das Judentum, die Gruppe aus der man kam und mit der man die gemeinsamen Traditionen teilte. Der Vortrag von Prof. Dr. Rainer Kampling geht der Entwicklung nach, die dieses typische Minoritätsphänomen hin zu einer Konstante in dem Denken und der Praxis der Großkirche nahm, die offensichtlich der Judenfeindschaft bedurfte, um sich ihrer selbst gewiss zu sein.
Rainer Kampling ist seit 1992 Professor für Biblische Theologie und Neues Testament an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Theologie und Geschichte der Jüdisch-Christlichen Beziehungen.