Wie geht es den Kindern in der Region?
Foto:Region Hannover, Philipp Schröder
Mit mehr als 12.100 Schuleingangsuntersuchungen im Einschulungsjahrgang 2024/25 bleibt die Region Hannover bundesweit Spitzenreiter. Doch die Ergebnisse zeigen besorgniserregende Entwicklungen: So ist der Anteil an Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren von 7,5 Prozent im Schuljahr 2019/20 auf 9,1 Prozent gestiegen. Das heißt: Aktuell haben 1.105 Kinder im Vorschulalter im Regionsgebiet erhöhten Beratungs- oder Behandlungsbedarf, um sich gesund zu entwickeln zu können. Ein übermäßiger Medienkonsum zeigt sich als ein entscheidender Risikofaktor.
Anstieg von Sprach- und Verhaltensauffälligkeiten
Während sich der Anteil übergewichtiger Kinder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie auf 9,7 Prozent stabilisiert hat – zum Vergleich: Im Einschulungsjahrgang 2021/22 waren 14,5 Prozent der Kinder übergewichtig -, stieg der Anteil von Kindern mit Auffälligkeiten weiter an. Das zeigt sich zum einen in der Sprachentwicklung: Hier gab es einen Anstieg von Sprachauffälligkeiten auf 18,8 Prozent – 2019/2020 lag der Anteil noch bei 14 Prozent. Besonders im Blick ist auch der Anstieg der Kinder mit auffälligem Verhalten auf zuletzt 9,1 Prozent. Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen Verhaltensauffälligkeiten und übermäßigem Medienkonsum: Kinder, die mehr als zwei Stunden täglich digitale Medien nutzen, haben ein besonders hohes Risiko, Auffälligkeiten zu entwickeln. Gleichzeitig spielen familiäre und soziale Faktoren wie ein niedriges Bildungsniveau der Eltern, fehlende sportliche Aktivitäten oder eine kürzere Kindergartenzeit eine Rolle.
„Medienkompetenz und Demokratiebildung von Anfang an“
„Die aktuelle Debatte um den Umgang mit Medien zeigt, dass das Thema auch bei Entscheidungsträgern angekommen ist. Die Region hat schon seit Jahren viele eigene Maßnahmen, wie die Medienkompetenzangebote an Grundschulen und in Jugendgruppen, und fördert gezielt Medienschulungen, die Eltern, Fachkräfte, Kinder und Jugendliche im Umgang mit digitalen Medien stärkt“, unterstreicht Jugenddezernentin Dr. Andrea Hanke. „Die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen zeigen, dass bereits die Vorschulkinder auch an den Folgen von überhöhtem Medienkonsum leiden. Daher ist es gerade für die GrundschülerInnen wichtig, dass die Schule ein Schutzraum ist, in dem sie sich frei von medialen Einflüssen entwickeln können.“
„Viele Kinder haben auch durch zu starken Medienkonsum schon vor Beginn ihrer Schulzeit ein auffälliges Verhalten. Wir müssen entschlossen gegenwirken – durch einheitliche Regeln für die Handynutzung an Grundschulen sowie weiterführenden Schulen und die Stärkung der Medienkompetenz. Im Unterricht und in den Pausen hat das Handy nichts zu suchen und trägt nicht zur Medienkompetenz bei. Digitale Bildung lernen Kinder weder durch Schul-WhatsApp-Gruppen noch durch Brawl-Stars spielen auf dem Schulhof. Diese Vorgabe muss es einheitlich vom Kultusministerium geben, denn die Herausforderungen sind flächendeckend die gleichen und man darf die Schulen damit nicht allein lassen“, fordert Regionspräsident Steffen Krach.
„Klar ist auch: Handys sind fester Bestandteil des Lebens und deswegen müssen Kinder im Umgang mit Medien geschult werden. Das ist eine ebenso grundlegende Fähigkeit wie Lesen und Schreiben. Medienkompetenz und Demokratiebildung gehören zusammen und sollten endlich von Anfang an in den Lehrplan integriert werden – als Fach Demokratiebildung. Hier wünsche ich mir eine klare Vorgabe des Kultusministeriums.“
Regionsweite Beratungen für Eltern, Kinder und Jugendliche
Auch die Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche der Region Hannover verzeichnen eine deutliche Zunahme von Ratsuchenden: „Unsere Beratungsfälle sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen – allein 2024 haben wir 2.458 Beratungen gezählt, ein Anstieg von 9 Prozent gegenüber 2019“, sagt Stefan Pohl, Leiter der Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche, und berichtet aus der Praxis: „Es kommen zunehmend mehr Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten und Ängsten zu uns, auch Medienkonsum ist ein großes Thema. Viele sind verunsichert, haben – besonders während der Pandemie – ein Rückzugsverhalten oder depressive Tendenzen entwickelt. Auch die Eltern sind oft verunsichert oder überfordert. Wir zeigen durch präventive Beratung Wege auf, wie Familien entlastet und Kinder und Jugendliche gestärkt werden können.“
Neu: Folgeuntersuchung in der 4. Klasse
„Die Corona-Pandemie hat bei vielen Kindern und Familien deutliche Spuren hinterlassen. Psychische Belastungen und problematische Verhaltensweisen sind noch immer auf einem hohen Niveau. Diese Entwicklungen müssen wir ernst nehmen und aktiv gegensteuern“, erklärt Dr. Andrea Wünsch, die das Team Pädiatrie und Jugendmedizin der Region leitet. So startet die Region jetzt die freiwilligen Folge-Untersuchungen in der 4. Klasse, um die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die Kinder zu untersuchen. „Davon erhoffen wir uns aussagekräftige Daten zu der Entwicklung insbesondere der Kinder, die während der Pandemie eingeschult wurden“, so Jugenddezernentin Dr. Andrea Hanke.
Frühe Hilfe in Kitas / Adipositas-Projekt erfolgreich
Um den Herausforderungen zu begegnen, hat die Region Hannover bereits zahlreiche Präventions- und Unterstützungsprogramme – abgeleitet aus den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchungen – etabliert und ausgebaut. Dazu gehört das sozialpädiatrische Kita-Konzept, das in mittlerweile 61 Kitas vor Ort Eltern und Kinder mit Kinderärzten, Psychologen und Sozialpädagogen präventiv unterstützt. Das Programm zählte allein im Jahr 2024 mehr als 1.300 Beratungen für Fachkräfte und Eltern sowie 329 ärztliche Sprechstunden.
Projekte wie „Fit, bunt & lecker“ bieten umfassende Hilfen für Kinder mit Adipositas, deren Anzahl besonders in der Coronapandemie gestiegen war – an dem Projekt nahmen im vergangenem Jahr 30 Kitas teil, 1.300 Kinder, 400 Eltern und 300 Fachkräfte wurden geschult.